Edgar Menzel

* 1936

  • "Mein Vater war damals noch Steinschleifer in der Steinindustrie in Friedeberg. Er war in der Partei DSAP engagiert und hat als Ortsvorsitzender an den Chef dieser Partei in Freiwaldau ein Telegramm geschickt, sinngemäß „Lasst euch nicht einwickeln, macht nicht mit bei dieser geschichte, das ist nicht das Richtige, lasst die Finger davon!“ Ein Rivale hat das Telegramm jedoch abgefangen und hat es den Gestapo-Beamten zugespielt. Also kam eine Vorladung. Herr Menzel, kommen Sie mal nach Freiwaldau hieß es. was ist los mit Ihnen? Nichts Besonderessagte er ihnen. Sie haben ihn später wieder heimgeschickt. Zwei Wochen später kam wieder etwas, wieder eine Befragung, und dann wurde er noch mal verhört.der Verhörende Gestapomann sagte : Herr Menzel, tut mir leid, ich kann jetzt nichts finden, was wirklich gegen Sie spricht. Aber warum haben Sie denn zu den Tschechen gehalten, wie können Sie bloß so unvernünftig sein? Es tut mir leid, ich kann für Sie nichts machen. Und hat ihn heimgeschickt. Wieder zwei, drei Wochen später kamen zwei Gestapo-Beamte in den langen grauen Mänteln mit Hüten: Herr Menzel, kommen Sie mit, und haben ihn nach entführt Freiwaldau. Er hat eine Postkarte geschickt: Ich bin da und da in Freiwaldau und ich melde mich wieder, wenn wieder was ist. Und dann war er weg."

  • "Diese zwei Häuser, die hießen Eschelbach. Das waren zwei Nachbarn Bauern. Sie waren aber sehr freundlich, sie haben uns sehr gut aufgenommen, undhaben dann gesagt: 'Na ja, wenn ihr schon mal da seid, kriegt ihr ein bisschen Milch. Wenn ihr nicht hättet kommen können, hätte ich euch mit meinem Traktor abgeholt, aber wenn ihr schon mal da seid, ist das auch gut, dann quartiert euch ein undkommt runter, am Abend gibt´s Milch.' Das war ein Zimmer, ein großes, ungefähr 30 m2, und das war unsere Wohnung. Da wurden Betten aufgestellt und dann hieß es 'Ok, zieht daein' Nun hat man dort gewohnt, sehr provisorisch, natürlich, und wir waren dann auf das Zusammenleben der Bauer mit uns angewiesen."

  • „Man ist mit mir von Stillstand runtergegangen ins Dorf (Sörgsdorf) von dort sidn wir mit dem Omnibus nach Jauernig gefahren zum Fotografen. Da hat man mich hingestellt und in die richtige Position gebracht. Ich stehe dort und schaue stolz, mit einer Wehrmachtmütze aufgesetzt, damit ich auch präsentabel ausschaue, und dann hat man das Foto von mir anfertigen lassen. Der Hintergedanke von dem Foto war der folgende: die haben dann ein paar Abzüge fertigen gelassen, schätzungsweise drei odervier und auf eines dieser Fotos hat dann meine Tante mit Goldschrift aufgeschrieben „Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr“. Es wurde also quasi als Weihnachtskarte getan. Und die Karte hat man dann zu meinem Vater ins KZ geschickt.“

  • "Ich kann mich erinnern, als wir dann dran waren. Meine Eltern und meine zwei Onkel waren alle beschäftigt die Lastautos vollzuladen, um sie nach Jauernig zum Bahnhof zu bringen. Und mir als kleinen Jungen hat man gesagt: Du gehst jetzt ins Dorf runter und meldest dich irgendwo in der Schule an. Ich bin also durch das Dorf losgestiefelt,dann kamen die ehemaligen Nachbarn und habenfragten mich: Müsst ihr jetzt auch raus? Ich hab dann ganz schüchtern, bescheiden mit dem Kopf genickt. Dann plötzlich weiß ich nur, wie ich in dem Eisenbahnwagon saß, oben unter der Abdeckung in einem kleinen Raum, wo wir Kinder lagen amüsiert runter schauten, wie draußen der Zug vorbeifuhr. Der Zug ist durch Tschechien gefahren, die Türen waren aufgeschoben, die Jungen saßen irgendwo auf dem Wagon und ließen die Füße runter baumeln , die Erwachsenen haben sich irgendwo nach hinten gesetzt und wir Kinder haben belustigt heraus zuschaut, was so alles vorbei fliegt."

  • "Mein Vater war vier Jahre im KZ. Da gab es Hunderte, Tausende von Häftlingen, die alle gesagt haben: Moment, wir möchten nicht genauso behandelt werden, wie die restlichen Deutschen. Aber es hieß: Ihr müsst auch raus. Gut, haben die gesagt, wenn wir schon raus müssen, dann wir gehen freiwillig, aber dann, bitte, in geordneten Zuständen. Wir möchten nicht als Vertriebene, sondern in Ehren gehen. Dann hat hieß es: Na gut, dann macht das, ihr kriegt so und so viele Leute genehmigt, ihr kriegt auch ein Eisenbahnwagon dazu, wir stellen sogar die Transporte zusammen, etwa fünf Hundert Personen hatten dort Platz, und ihr, die alten Antifaschisten, könnt euch selber organisieren und raus gehen, wie ihr es für richtig haltet. Und da war mein Vater mit dabei, bei den ersten, die es organisiert haben. Die sagten zu meinem Vater: „Menzel, du kümmerst dich jetzt um die Leute in Freiwaldau. Und wer mit raus will, der soll sich bei dir melden.“ Er hat eine Liste geschrieben, die zeigt, wer alles debai war. Das waren meine Eltern und ich, meine Großmutter, Großvater und die beiden Kinder, meine Tante, die verheiratet war, mit ihrem Mann und Kindern, und meine andere Tante. Und alle, die irgendwie nachweisen konnten, dass sie entweder Widerstand geleistet haben, oder zumindest keine Nazianhänger waren, die sich während der Hitler Zeit eher zurückgehalten haben und leise waren, oder, die sich als gute Christen geachtet haben. Mein Vater und seine Kollegen, etwa zwei, drei Männer, die das ganze regelten haben alle die freiwillig raus gehen wollten, auf die Liste geschrieben."

  • Celé nahrávky
  • 1

    Osterhofen, 03.12.2016

    (audio)
    délka: 01:12:16
    nahrávka pořízena v rámci projektu Memories for the Future
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Wir haben eigentlich sehr gut gelebt

6926-portrait_former.jpg (historic)
Edgar Menzel
zdroj: dobové foto archiv pamětníka, současné foto pořízeno na místě nahrávání

Edgar Menzel wurde am 12. Dezember 1936 in der malerischen Ortschaft Stillstand (Zastávka) im Reichensteiner Gebirge geboren. Sein Vater, Josef Menzel, war Sozialdemokrat und während des Zweiten Weltkrieges verbrachte er 4 Jahre in mehreren Konzentrationslagern und Sudetenländischen Treibstoffwerken in Maltheuern (Záluží) bei Brüx (Most). Ein Jahr nach dem Kriegsende lebte die Familie Menzel friedlich im Stillstand, bis sie im August 1946 ihre Heimat verlassen musste. Als Antifaschist organisierte der Vater einen freiwilligen Transport für Nazigegner und Christen u. a. nach Deutschland. Die Familie Menzel lebte mehrere Jahre auf einem Bauernhof zusammen mit der Bauernfamilie. Sie wurden gut empfangen und integrierten sich schnell. Josef Menzel war in Bayern als „Flüchtlingsobmann“ tätig. Edgar Menzel ist pensionierter Lehrer, ist verheiratet, hat zwei Töchter und fünf Enkeltöchter.