Herbert Götz

* 1939  †︎ 2020

  • "So sind wir über Wiesau nach Westdeutschland, Augsburg gekommen. Augsburg deshalb, denn findige Leute aus Neudek hatten mit den Amerikaner Kontakt aufgenommen, ob es nicht möglich sei, dass dieser Transport aus Neudek, nachdem Neudek eine Textilstadt war und Augsburg auch eine Textilstadt war, dass diese Leute gezielt nach Augsburg kommen. Und es ist gelungen. Es sind also über 7000 Neudeker in 6 Flüchtlingstransporten jeweils mit 1200 Personen nach Augsburg geleitet worden, um dort unterzukommen. Ein Transport, das waren wir dabei, das war in Juli 1946. Wir kamen nach Augsburg an den Bahnhof, da hatte ich wiederum ein Erlebnis. Ich wusste nicht, warum mein Vater sich unter den Güterwagon begab und dort zu fummeln anfing. Und sehe da, mein Vater war ein bekannter Radrennfahrer. Er hatte zwei Arbeiterolympiaden hinter sich, 1928 und 1932. Er war also ein ganz guter und bekannter Radrennfahrer. Und er hat es fertiggebracht, sein Rennrad vorher zu zerlegen, in dem Güterwagon, in dem wir rübergekommen sind, unten festzumachen, um es nach Deutschland zu bringen. Er hatte es vor allem getan um mich für das Radrennen zu gewinnen. Kurz drauf hatte er mich in Augsburg in den Radrennverein Wanderer angemeldet, aber aus mir ist nie ein Radrennfahrer geworden, leider."

  • "Meine Eltern waren anerkannte Antifaschisten und sie wären nicht vertrieben. Nachdem aber die übrige Verwandtschaft vertrieben worden ist, haben sich meine Mutter und mein Vater entschieden, sich freiwillig zu melden und so war es, dass wir nach Neudek in das Lager gekommen sind, mussten aber drei Wochen warten, denn es war gar nicht so einfach, als Freiwillige nach Westdeutschland zu kommen. Wir mussten warten, bis ein Platz frei wird, wie es so schön geheißen hat, und dann haben wir doch einen Platz gehabt. In diesem Transport war es sehr beengt, wenn man überlegt hat, dass dreißig erwachsene Leute in einem Viehwagon untergebracht worden sind, dann ist es schon für ein Kind eine Situation, mit der man nicht ganz fertig wird. Ich hatte eine besondere Situation: in Eger standen wir nachts auf dem Bahnhof, haben gewartet, bis es hell wird. Ein Kind, ein Baby in unserem Wagon, schrie und schrie und schrie, ich bekam mit, dass das Kind dringend Wasser braucht. Wir waren aber in dem Wagon so verschlossen wie Tiere und keiner traute sich rauszugehen, weil er wusste, es wurde als Fluchtversuch gesehen und man wäre erschossen. Dann habe ich mich gemeldet, ich mache es als Kind, ich kann mir nicht vorstellen, dass man auf ein Kind schießt. Meine Eltern haben es nicht gewollt. Ich habe gesagt, nein, ich mache es trotzdem, gebt mir einen Becher, dann brechen wir die Plombe und ich hole auf dem Bahnhof Wasser. Ich dachte, es wird schon gehen. Komischerweise ich war kurz draußen als ein russischer Soldat kam mit einem Bajonet, hat sofort erkannt, was ich will, ist mit mir zu dem Brunnen gegangen, hat das Gefäß mit Wasser gefüllt und hat mich wieder zurückgebracht in den Wagon. Das kleine Baby in dem Wagon wurde beruhigt und ich war wie ein kleiner Held."

  • "Wir in Göggingen haben erreicht, dass Straßen nach unserer Region benannt worden sind. Es gibt die Neudeker Straße, die Karlsbader Straße, es war alles Arbeit von uns, dass es in Göggingen passiert ist. Und die Aufgabe der Heimatgruppe, die da gegründet worden ist: wir haben gesagt, wir müssen ein Museum erstellen, das ist passiert. Diese Leute in der Heimatgruppe, die damals dabei waren, die haben viel geleistet, haben ein Heimatmuseum in Göggingen gegründet, was da noch bis heute ist. Leider vor einigen Jahren ist die alte Heimatgruppe auseinandergefallen, es war also niemand da, der bereit gewesen wäre die Arbeit weiterzumachen. Und ich in meinem Engagement in Göggingen bin seit 2004 der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft aller Gögginger Vereine, das sind 38 Vereine, über 15 000 Mitglieder, habe ich gesagt, nein, das kann ich nicht zulassen, die Heimatgruppe und das Museum müssen bestehen bleiben. Habe ich nach Mitstreiter gesucht, habe ihn auch gefunden in der Person von Anita Donderer, die bereit war, Kasierperson zu machen, dann der Josef Grimm, der bereit war, den Vorsitz zu übernehmen, wenn ich den Stellvertreter mache. So sind wir Jahren das engagierte Team für diese Partnerschaft, die erst mit Leben erfüllt wurde. Denn vorher war es so, es gab zwar die Heimatgruppe, aber mit Leben war diese Partnerschaft nicht erfüllt. Weil viele den Kontant nach Neudek zu ihrer alten Heimat nicht haben wollten. Es gab Aussagen, wer drüben fährt, dem gehören die Füße abgeschlagen. Wir waren diejenige, die gesagt haben, nein, es muss mit Leben erfüllt werden, und es war nach der Wende, wo Anita Donderer und ich den Weg geebnet haben und gesagt haben, wir wollen echte Kontakte, und haben versucht mit dem ersten Bürgermeister nach der Wende den Kontakt aufzubauen. Es war ein Glücksfall, dass dem seine Schwiegermutter eine verbliebene Deutsche ist, und das hat uns das ganze erleichtert. Wir haben auch die Unterstützung von Augsburger Bürgermeister erhalten, alle Bürgermeister haben es mitunterstütz, so kam es, dass wir ab der Wende die Fahrten organisiert haben. Und Neudek war nach der Wende die erste tschechische Stadt, die offiziell Kontakte zu den ehemaligen Neudeker gemacht haben. Da bin ich stolz darauf. Wir haben Hilfsmittel organisiert. Wir haben erfahren, dass im Altersheim in Neudek aufgenommen, haben festgestellt, wie schlecht es dort ausgestattet ist, haben Kontakte zu Altersheime in Augsburg aufgenommen, um zu erfahren, ob sie nicht etwas früher aussortieren könnten, mit Unterstützung des Oberbürgermeisters. So haben wir auch Krankenmittel transportiert. So haben wir Kontakte hergestellt, das ist das, was wir meinen, diese Partnerschaft mit Leben erfüllt, so ist es echte Partnerschaft. So sehe ich das."

  • "So bin ich ganz schnell, ich habe nicht schlecht gespielt. Meine Art war einfach sich mitzumischen, nicht abseits zu stehen, und so war es mir leicht Kontakt zu finden. Es war für mich in Göggingen ein Anfang bereits als Schüler, mein ganzes Leben war Kontakt zu suchen, mitzuwirken, in die Öffentlichkeit zu gehen. Und es war so, dass sich viele Neudeker, es waren rund 4 000 Neudeker die nach Göggingen gekommen sind, die haben sich dort sehr schnell zusammengefunden und haben dort eine Gemeinschaft gebildet, um sich gegenüber der Öffentlichkeit zu äußern, darzustellen und so weiter. Und die Neudeker haben eigentlich Göggingen nach vorne gebracht. Und mein ganzes Leben in Göggingen war so gestaltet, dass ich ganz schnell mein Fuß in viele Vereine gefasst habe. Es sind die Naturfreunde, der Volkschor wiedergegründet worden, das war alles die Arbeit der Neudeker. Und vor allem die Bernauer Musikanten, die zu Hause in Bernau und Neudek ganz bekannt waren, haben sich zunächst in eine Gruppe namens Bernauer Musikanten wieder zusammengeschlossen, aber dann sind die aufgegangen in die Willeshausenen Musikanten und haben dort, nachdem mein Großvater ein Dirigent war, und dann später ein Sohn von ihm, mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, es übernommen habe, die haben also in der Region Augsburg die böhmische Musik aufrechtgehalten. Sie sind überall eingeladen zu spielen, bei Veranstaltungen. Das war eine ganz tolle Sache. Sie haben dazu beigetragen, die Neudeker, die Sudetendeutsche in ein richtiges Bild zu stellen, dass sie etwas schaffen, leisten können. Und es war wirklich so, die Neudeker haben sich überall reingebracht. Haben mitgewirkt auch in der Kommunalpolitik, es war in Göggingen vor allem die SPD, die davon profitiert hat, denn die SPDler aus Neudek haben sich in der Kommunalpolitik engagiert. Seit 1949 waren immer wieder die Neudeker in Gögginger Gemeinderat, die da mitgewirkt haben."

  • "Im Jahre 1945, als der Krieg zu Ende war, war es also so, ich war 7 Jahre alt. Ich kann mich da an einige Vorfälle erinnern. Zum Beispiel, mein Vater hatten den Wunsch mir Ski fahren beizubringen. Er hatte von einem örtlichen Schreiner Ski machen lassen, ich hatte in Winter von 1945 auf 1946 diese Skier probiert und bin von Oberbernau das erste Mal skigefahren. Da habe ich ein ganz schlechtes Erlebnis. Ein Tscheche ist mit seinem kleinen Buben gekommen, hat mich angehalten und hat mir die Skier weggenommen. Ich wusste nur, dass immer gesagt worden ist, mit den Tschechen soll man sich nicht anlegen, ich soll mich nicht währen, das war für mich ganz schreckliches und böses Erlebnis, was ich nie vergessen habe."

  • Celé nahrávky
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    Rehau, 15.09.2019

    (audio)
    délka: 09:54
    nahrávka pořízena v rámci projektu Stories of the expelled Germans born in the Karlovy Vary region
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Die Menschen verbindet, wenn sie gemeinsam etwas erreichen

Herbert Götz
Herbert Götz
zdroj: Post Bellum

Herbert Götz wurde am 30. Januar 1939 in Bernau bei Neudek im Erzgebirge geboren. Seine Eltern haben in der Neudeker Wollkämerei gearbeitet. Als Antifaschisten mussten sie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nach Deutschland umziehen, aber sie haben sich freiwillig zum Weggang entschieden. Im Juli 1946 sind sie mit dem Transport nach Augsburg gekommen und ihre neue Heimat sollte jetzt nahe Göggingen werden. Gerade diese Gemeide hat sich mit der Ankunft der Neudeker markant vergröβert und ist lebendig geworden. Herbert Götz hat sich schon als kleiner Junge bemüht in alles Geschehen aktiv eingliedern und das hat ihm auch bei der Integration in der neuen Heimat geholfen. Nach dem Studium einer höheren Schule in Augsburg wurde er zum Beamten im Versicherungswesen. Einen groβen Teil seiner Karriere hat er auch der Gewerkschaften gewidmet. Auβerdem hat er am Gang vieler Vereine und Bürgerorganisationen teilgenommen. Er hat mehrere Auszeichnungen für seine Aktivitäten bekommen, z.B. im Jahre 2010 die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland. Gemeinsam mit Anita Donderer und Josef Grimm baut er die Partnerschaft mit Neudek auf. Herr Herbert Götz ist 2020 verstorben.