Dr. Manfred Frey

* 1940

  • Die Wende hat zwei Etappen gehabt, die erste war das Picknick im Burgenland (Paneuropäische Picknick). Das war am 15. August. Ich war Präsident der Finanzlandesdirektion, ich habe die Genehmigungen erteilen müssen für die österreichische Seite, dass dieses Picknick stattfinden kann, das war am 15. August. Dann war die große Wende, wo dann in der Nacht vom 10. auf den 11. September 1989 die Ungarn die Ausreise freigegeben haben, die Ausreise der ostdeutschen Bürger in den Westen. Ich war damals von der Regierung beordert, in Klingenbach das zu kontrollieren, und ich weiß noch gut, das war Sonntag am Abend. Ich war da gegen Mitternacht hingekommen, und da waren 20, 30 Fernsehteams dort. Und da war der Bezirkshauptmann und hat Ordnung geschafft, und dann habe ich gesagt: Bezirkshauptmann, ich glaube heute ist ein besonderer Tag, da kann man nicht Ordnung schaffen, da muss man locker lassen heute. Um zwölf Uhr Mitternacht sind dann auf der ungarischen Seite, das sehe ich heute noch, die Schranken in die Höhe gegangen, und dann haben wir gesehen, dass da endlos Pkws gestanden sind. Die haben dann die Lichter aufgedreht, weil sie gewusst haben, dass es jetzt startet. Und jetzt haben wir gesehen, dass drüben auf der ungarischen Seite eine endlose Kolonne von Pkws waren, die nur gewartet haben auf den Startschuss, es waren Ostdeutsche. Und das war der Zusammenbruch des Kommunismus, die Freilassung der Ostdeutschen durch die Ungarn, das sie nach Westdeutschland gehen können, das war der Zusammenbruch des Kommunismus.

  • 1992 haben die vertriebenen Joslowitzer neue Kirchenglocken gespendet. Die vertriebenen Joslowitzer haben in Tirol zwei Kirchenglocken gekauft, weil die Kirchenglocken von Joslowitz von der deutschen Wehrmacht damals eingezogen und zu Waffen verschmolzen wurden. Dann war Joslowitz ohne Kirchenglocken. Die vertriebenen Joslowitzer haben gesammelt und zwei Kirchenglocken bezahlt. Diese sind dann transportiert worden, von Tirol aus bis nach Joslowitz. Am 2. September 1992 sind sie geweiht worden, am Joslowitzer Hauptplatz von dem Brünner Bischof, er hieß Cikrle. Das war Samstag, und am Sonntag war dann eine heilige Messe in Joslowitz. Dort ist der Wiener Kardinal extra gekommen, weil ich ihn gekannt habe, und hat in Joslowitz eine heilige Messe gefeiert. Das war natürlich ein tolles Ereignis.

  • Das dritte Erlebnis war ein sehr dramatisches. Mein Vater war Jäger, und als die Tschechen unsere Landwirtschaft in Besitz genommen haben, auch die Ziegeleien, bestand die Pflicht, die Gewehre abzugeben. Meine Mutter hat die Jagdgewehre aber nicht gefunden und konnte sie so auch nicht abgeben. Irgendjemand muss das angezeigt haben, dass mein Vater Jäger war und es Gewehre geben musste. Es war dann bei uns eine Hausdurchsuchung, von fünf Tschechen und zwei Russen. Am Vorabend war meine Mutter gewarnt worden, dass am nächsten Tag diese Hausdurchsuchung sein würde. Die tschechischen Zöllner, die 1938 Joslowitz verlassen hatten, hatten nämlich früher immer Lebensmittel bei unserer Mutter eingekauft, da unser Bauernhof direkt vor dem Zollamt lag. Diese Zöllner waren zurückgekehrt, und einer von ihnen warnte meine Mutter: Am nächsten Tag würde eine Hausdurchsuchung stattfinden, und sie würden nach Waffen suchen. Meine Mutter durchsuchte die ganze Nacht hindurch das Haus, fand aber die Waffen nicht, sie fand wohl Munition. Diese streute sie noch in der Nacht aus. Am nächsten Tag sind dann die Tschechen und Russen zur Hausdurchsuchung gekommen. Ich kann mich noch gut erinnern: Wir standen im Hausflur, die ganze Familie, meine Mutter mit ihren drei Kindern. Ein tschechischer Partisan bewachte uns. Ich weiß noch, dass er ein Gewehr umgeschultert hatte, und er ist mir unheimlich groß erschienen. Noch heute ist er in meiner Erinnerung unendlich groß. Ein Psychologe hat mir erklärt, dass ich die Gefahr gespürt habe die Unruhe meiner Mutter und die Gefahr, und daher ist mir dieser tschechische Partisan als Riesengefahr erschienen, als Kind, darum ist mir der Partisan zwei Meter groß oder mehr erschienen. Das war die Angst eines fünfjährigen Kindes.

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    Mikulov, 29.08.2025

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    délka: 01:39:36
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Es gab schon damals gab es Bestrebungen, um hier ein Zusammenleben zu ermöglichen

Manfred Frey in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts
Manfred Frey in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts
zdroj: Archiv pamětníka

Manfred Frey wurde am 4. Mai 1940 in Joslowitz in eine deutsche Familie geboren. Das Leben seiner Familie war geprägt von den dramatischen Ereignissen nicht nur des Zweiten Weltkriegs, sondern auch der 1930er Jahre. Sein Großvater Karl Frey gehörte als Mitglied des „Bund der Landwirte“ zu den Gegnern des Nationalsozialismus, sein Vater Ewald Frey wurde zur Wehrmacht eingezogen. Als Kind erlebte Manfred Frey die Befreiung Tschechiens durch die Rote Armee. Die sich nach Kriegsende zunehmend verschärfende Lage veranlasste seine Mutter Johanna Frey, mit ihren drei Söhnen das Land zu verlassen, um einer gewaltsamen Vertreibung zu entgehen. Nach dem Zusammentreffen mit seinem Vater in Österreich ließ sich die Familie in Wien nieder. Nach seinem Studium und dem Militärdienst trat er in den österreichischen Finanzdienst ein, wo er Karriere machte. Im Jahr 2003 wurde er Vizepräsident der Österreichischen Nationalbank. Er besuchte Tschechoslowakei bereits zu Zeiten des Kommunismus regelmäßig und verfolgte die dortigen Ereignisse stets mit großem Interesse. In den 70er Jahren begann er zusammen mit seinem Bruder, Gedenkveranstaltungen im österreichischen Zwingendorf zu organisieren, die sie in den 90er Jahren auch auf die tschechische Seite der Grenze, in seinen Heimatort Jaroslavice, ausweiteten. Er war bei der historischen Öffnung der Grenze zwischen Österreich und Ungarn im Jahr 1989 sowie bei der Öffnung der Grenze zwischen Österreich und der Tschechoslowakei dabei. Im Jahr 2025 lebte er in Hetzmannsdorf, wo er weiterhin im kulturellen und öffentlichen Leben aktiv war.