"Ich habe geheiratet im Jahr 1983 und wir sind zu diesem Stutenhof gezogen und haben dort gewohnt, haben dort angefangen zu wohnen. Ich habe dort früher nie gewohnt, sondern ich habe in Loosdorf gewohnt, und in Wien und sowas. Stutenhof war ein großer Hof, sehr schön, liegt sehr schön. Prachtvoll eigentlich, also weit und breit keine anderen Gebäude. Sie können sich dort umdrehen, 360 Grad, und sehen kein anderes Gebäude in Mitteleuropa, in der Ebene. Das gibt es kaum mehr, jedenfalls sind wir dort hingezogen, meine Frau und ich, und dann ist der Moritz auf die Welt gekommen, das sind vier Kinder, das erste war Moritz, der ist im Jahr 1983 auf die Welt kommen. Und wir waren ja Hippies und sind nicht ins Spital gegangen, weil wir gesagt haben, meine Frau hat gesagt, sie ist nicht krank, sie braucht kein Spital. Wir hatten eine sehr gute Hebamme, die alte Frau Sojka, und Frau Sojka hat das gut trainiert und diese Geburt vorbereitet und ist auch gekommen zur Geburt am Stutenhof. Die nächste Ortschaft war fünf Kilometer weit weg, das nächste Spital, eine halbe Stunde, fast eine dreiviertel Stunde damals entfernt. Also wir waren halt jung, und die Sojka hat das super gemacht, die Ärztin ist nicht gekommen, und wir haben natürlich telefoniert, Standtelefon, es gab keine Handys, kein Internet, gar nichts, und die ist nicht gekommen, sie hat es nicht gehört in der Nacht aber die Frau Sojka war ja da und hat das bestens gemacht, ich hab keine Ahnung hat von Geburt, ich war außer mir, was das dann ist nachher. Es ist wirklich ein existenzieller Schock, wenn man so will, aber es ist alles wirklich gut gegangen. Der kleine Moritz ist auf die Welt gekommen, und die Sojka hat mir dann einen Plastiksack in die Hand gegeben und mir gesagt, das ist die Nachgeburt, bitte zur Entsorgung. Also ich schon glücklich und habe schon geschlafen und bin rausgegangen, ganz früh um vier Uhr in der Früh, am 8. September 1983. Ich habe das eingegraben, möglichst tief, dass es der Fuchs nicht erwischt, und hatte einen Weinanfall bekommen vor lauter Glück. Und dann habe ich auf den Himmel geschaut und sehe einen Ballon fliegen, über die Grenze, über Nikolsburg fliegt im ersten Licht ein Ballon. Und ich habe ihn gesehen, das habe ich zur Kenntnis genommen, er ist Richtung Österreich geflogen. Es sind Jahre vergangen, und wir haben einen Kartoffelbau aufgezogen am Stutenhof. Und ich brauchte große Kisten, 1000-Kilo-Kisten, Kartoffel-Holzkisten zur Lagerung, und mir ist ein gewisser Herr Magušin empfohlen worden, aus der Slowakei, Bratislava Umgebung. Also den habe ich angerufen, und der konnte Deutsch, nicht gut, aber doch, ihm ein Fax geschickt mit Zeichnungen, wie das ausschauen soll, den Preis ausgemacht, okay, akzeptiert, dann hat er mich nach einem Monat angerufen, die Kisten sind fertig, er kommt mit zwei Lkw und baut die zusammen, am Stutenhof vor Ort schraubt er sie zusammen. Dann fragt er, wo er denn hinfahren soll. Und ich sage: Stutenhof, aber das können Sie nicht wissen, ich erkläre ihnen jetzt, wo das ist. Nein, nein, sagt er, er weiß genau, wo das ist. Aha, er weiß, wo der Stutenhof ist? Das weiß sonst niemand! Dann ist der Herr Magušin erschienen, und ich habe ihn gefragt, warum wissen Sie, wo Sie hinfahren müssen? Da sagt er, ja, er hat in Březí bei der Armee gedient, bei der tschechischen, und musste zwei Jahre lang beim Militär dort dienen. Und ich habe ihn so blöd gefragt, wie war denn das dort? Und er hat gesagt, wie wird das gewesen sein? Es war natürlich furchtbar, das Essen war grauenhaft, es war wenig, es war scheußlich, zwei Jahre nichts machen, fade, widerlich. Dann hat er das so aufgeworfen. Ein einziges Mal, aber da war es schon, da war das nicht ganz so einfach. Ich war mit einem Kollegen und einem Kapo auf Wachdienst, zu Fuß auf diesem Signalgast, das sind diese Straßen vor dem Draht, von Tschechien aus gesehen vor dem Stacheldraht, in die Richtung Österreich, und wir sind zu dritt gegangen, und das war vier Uhr in der Früh oder so, und da ist ein Ballon geflogen und ja, wir hatten Schießbefehl, und wir haben auf diesen Ballon schießen sollen, und wir haben das verweigert. Er hat erzählt „diese russischen „Puschkas“, das geht schon wieder nicht, Schei*gewehr!“ und haben nicht geschossen und mussten auch ins Gefängnis gehen, ins Militärgefängnis, eine Woche. Dann hat er gesagt, das war aber ganz wurscht, im Gefängnis oder nicht im Gefängnis, das war beim Militär ungefähr dasselbe. Und ich habe ihn so angeschaut und gesagt: Na ja, das war am 8. September um vier Uhr in der Früh. Und ich sehe ihn jetzt noch so vor mir, wie ihm der Mund runtergefallen ist. Er hat geglaubt, ich bin ein KGB-Agent. Wir haben also beide, von beiden Seiten diesen Luftballon gesehen."