Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.

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Irma Müller (* 1926)

Das Mädel war die Magd vom Bauern und der Sohn war der Knecht...

  • geboren 1926 in Neuberg bei Asch

  • hat drei ältere Schwestern und zwei ältere Brüder, ist mit großem Abstand die Jüngste in der Bauernfamilie

  • Besuch der Volksschule in Neuberg

  • Ausbildung zur Weberin in der Weberei Adler & Nickerl in Neuberg

  • Familie wird am 01.09.1946 trotz des sozialdemokratischen Hintergrunds ausgesiedelt

  • dreimonatiger Aufenthalt bei einer Bauernfamilie in Vilsbiburg bei Landshut

  • am 01. Dezember 1946 Umsiedlung nach Hof

  • Anstellung als Näherin bis 1978

  • Pflege der Eltern, viele Reisen und Mitgliedschaft bei der Hofer Seliger-Gemeinde

  • bis zur Pensionierung Arbeit in einem Schwimmbad, einem Theater und einem Radiogeschäft

Als Irma Müller am 13. April 1926 in Neuberg bei Asch geboren wird, ist ihre Mutter bereits fast 50 Jahre alt. Sie hat vier – deutlich ältere – Geschwister, ist das Nesthäkchen der Familie, wenngleich ihre Eltern sie das kaum spüren lassen. Ihre Mutter hat, wie Müller sagt, Geduld nicht mehr gehabt richtig für mich. Ihre frühesten Erinnerungen kreisen dementsprechend um das harte Dasein als Bauernkind und die Arbeit auf dem Feld. Da war ich noch ein ganz kleiner Kerl. [...] Da bin ich mit auf den Acker hinaus. Da haben sie mich in einen Leiterwagen hineingelegt und die Katze dazu rein und wir haben hinten hinaus gleich die Äcker gehabt. Und da haben sie mich hinaus gefahren und wenn ich aufgewacht bin, ist die Katze in den Acker hin gerannt und hat geplärrt. Und da sind sie vorgegangen, haben gesagt: „Die Irma ist aufgewacht.“ Da haben sie mich raus... und die Katze ist wieder hinein in ihr Bett. Die Katze war meine Freundin. Sobald Irma zur Mitarbeit in der Lage ist, wird sie auch aufs Feld geschickt. Diese Arbeit und die Bildung in der Volksschule prägen die jungen Jahre von Irma Müller. Und wenn ich heimgekommen bin, war der Zettel dort gelegen. Da musste ich gleich heim... weg... Also am Anfang habe ich eine Kuh eingespannt und dann bin ich auf den Acker hinaus. Mein Schulranzen hingelegt und in den Stall hinein. War der Zettel dort gelegen. Zeit für das Spielen mit ihren Freunden aus der Volksschule ist selten da, stets wird sie zur Arbeit angehalten. [D]ie sind oft einmal gekommen und haben vom Hoffenster hinein geschaut, immer: „Komm, wir gehen jetzt hinaus auf den Acker oder irgendwo auf die Bäume, klettern.“ Und da hat die Mutter gesagt. „Die bleibt bloß daheim. Die hat bloß zu lernen.“ Musste daheim bleiben.

Vor allem bei ihren Schwägerinnen findet sie jedoch auch Zuneigung. So kann sie sich darauf verlassen, dass manches mal ihre beim Klettern zerrissenen Röcke heimlich genäht werden, ohne dass Vater und Mutter etwas davon mitbekommen. Und auch wenn sie mal Geld für die Schule braucht, kann sie sich vertrauensvoll an ihre Verwandten wenden.

Die politischen Auseinandersetzungen jener Zeit kümmern sie als Kind nicht, jedoch bekommt sie mit, wie es um die politische Einstellung ihres Vaters steht. Der ist entgegen der meisten anderen Bauern im Dorf und in der Umgebung Anhänger der DSAP (deutsche Sozialistische Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei). Wenn er Versammlungen besucht, geht die Angst um in der Familie. Der Vater, wenn es, wenn Bauernversammlung oder irgendwas war, haben wir immer zum Fenster hinausgeschaut, ob er wiederkommt. Haben wir immer Angst gehabt um den Vater. Weil der war sozialdemokratisch eingestellt. Der wollte von dem Hitlerzeug nichts wissen.

Die Zeit des Nationalsozialismus übersteht die Familie, auch weil die ältere Schwester bei den Nazis aktiv wird, vor allem, um den Vater abzuschirmen, weil der konnte seinen Mund nicht halten. Ihre Brüder werden eingezogen, sie selbst beginnt nach der Schule eine Ausbildung zur Buntweberin in der Firma Adler und Nickerl in ihrem Heimatort. Anhand eines drastischen Beispiels formuliert sie, wieso sie nicht weiter in der Landwirtschaft arbeiten möchte. Das Mädel war die Magd vom Bauern und der Sohn war der Knecht. Unser Nachbar hat ein Pferd gehabt, das war an der Front und ist dann mit der Schießerei mit... in Schwierigkeiten gekommen und dann haben sie es raus und dann haben es verkauft. Die Bauern... und der durfte mal... es hat einen Rappel gehabt, das Pferd und war nicht zu halten und da ist der Bauer selber nicht ran gegangen und sein zwölfjähriger Sohn musste das Pferd einfangen, was im Hof herumgerannt ist. So war es zu dieser Zeit mit den Kindern. Naja, und ich bin dann aus der Schule gekommen und dann habe ich gesagt: „Also Landwirt mache ich nicht.“

Fleißig ist Irma Müller und so schließt sie ihre Ausbildung mit einem guten Zeugnis ab. Doch dann ist der Krieg zu Ende und bei der Ausweisung werden von Seiten der tschechischen Obrigkeit keine Unterschiede gemacht. Die Familie muss trotz der sozialdemokratischen Einstellung des Vaters das Land verlassen. Wir waren die letzten zu der Ausweisung. Zuerst sind die Fabrikarbeiter dran gekommen und die Bauern mussten die Landwirtschaft erst sauber machen. Dann konnten sie im Herbst fort. An den Transport aus der Tschechoslowakei bis nach Vilsbiburg in Niederbayern denkt Müller nur ungern zurück. [W]enn wir mal aufs Klo mussten, wenn der gehalten hat, dann sind wir mal unter den Bahnwagen rein auf Klo. Aufs Klo, bis wir mal ein Klo gefunden haben... War so eine Sache für sich zu der Zeit. [...] Wir haben so einen Klappsessel mitgehabt, der war so zusammengeklappt, oben ein Ding drauf. Das hat uns daheim einer gemacht gehabt. Hat er gesagt: „Wenn Ihr ausreist, Eure Eltern, die brauchen einen Sitz und Ihr könnt nichts mitnehmen.“ Da hat er uns so einen Klappsessel gemacht. [...] Und da waren sie drauf gesessen und konnten weiter nichts als wie hin und her nicken die vier Tage lang.

In Vilsbiburg findet die Familie Aufnahme bei einheimischen Bauern. Man versteht sich, die Müllers machen sich sofort nützlich. Ich habe gleich die Treppen runtergewaschen. Oben haben wir ein Zimmer gekriegt. [...] Und unsere Eltern haben unten in zwei Betten geschlafen. Und da war das ganz gut. Und da haben wir das sauber gehalten das ganze Zeug und da waren wir schon angesehener. Und auf den Acker sind wir mit hinaus.

Ihren Vorsatz der Landwirtschaft abzuschwören muss Müller also kurzzeitig ablegen, aber nach vier Monaten geht es im Dezember für sie nach Hof. Die Bauern bedanken sich bei den Flüchtlingen und geben ihnen zum Abschied noch einen Leiterwagen voll Brennholz mit in die neue Heimat.

Dort angekommen findet Müller direkt Arbeit in der örtlichen Weberei, ihre Schwestern haben im Zuge der Vertreibung glücklicherweise daran gedacht, ihren Lehrvertrag und ein Arbeitszeugnis mitzunehmen. [S]ind nach Hof heraufgefahren ins Arbeitsamt. [...] Und da hat der gesagt: „Die ist schon eingestellt.“ So schnell habe ich Arbeit gehabt in Hof. „Die ist schon eingestellt.“ Und dann sind wir in die Weberei Schweigert gekommen, da unten hier. Und die haben uns gleich Wohnung verschafft. Und da waren wir in der Schweigert-Villa. Wo früher der Hitler übernachtet... Dort haben wir nachher als Flüchtlinge gewohnt. Oben haben wir zwei Zimmer dann gehabt.

Die Anfangszeit in Hof wird ihr dadurch erleichtert, dass sie sich gut in der neuen Arbeitsstelle einlebt und zudem nach kurzer Zeit ihren späteren Mann beim Tanz kennenlernt, der allerdings nach wenigen Jahren 1952 verstirbt. Trotzdem lässt sich Müller nicht unterkriegen, tritt auch der Seliger-Gemeinde bei – zwar nicht aus politischem Interesse, aber aus familiärer Tradition und freundschaftlicher Verbundenheit. Naja, durch das, weil der Vater schon dabei war und ich habe dann Freundinnen gehabt in Hof. Weil die Eltern von der Seliger-Gemeinde waren. [...] Und da habe ich gesagt, da kann ich ja auch mit dazu gehen. Da habe ich es ja nicht weit, bin ich ja... und bin mit dazu gekommen. […] Wir waren alle zusammen auf die Seliger-Gemeinde eingestellt. Die ganze Familie.

Da sie nach dem Tod ihres Mannes alleinstehend ist, kümmert sie sich neben ihrem Beruf hauptsächlich um die Eltern bis zu deren Tod. Zudem entdeckt sie aber auch das Reisen als große Leidenschaft. Und habe mir Geld gespart und bin auf Reisen. Meine Schwester, die Ella, die die jüngere war [aber 14 Jahre älter ist, Anm. d. Verf.], die hat mir das Reisen gelernt und dann bin ich mit der raus. Sie besucht nahezu ganz Europa, vom Süden bis ans Nordkapp, reist immer wieder unter anderem auch mit der Seliger-Gemeinde in ihre alte Heimat.

Ende der Siebziger Jahre muss sie ihren Beruf als Weberin aufgeben, sie ist durch den Krach in der Firma schwerhörig geworden. Doch sie geht neue Herausforderungen an und lernt im örtlichen Schwimmbad selbst das Schwimmen, an das sie sich in ihrer Jugend nie herangetraut hat. Als dann eine neue Mitarbeiterin gesucht wird, stellt man Müller als Gehilfin ein. Jedoch muss sie auch diesen Beruf nach vier Jahren aufgeben, da ihr die Chemikalien, die im Schwimmbad benutzt werden, gesundheitlich zu schaffen macht. Es dauert nicht lange, da findet sie wieder eine neue Tätigkeit. Und dann bin ich ins Theater hinaufgekommen als Garderobiere für die Schauspieler. Das war mein schönster Beruf, interessant. Da ist mir allerhand auch passiert. Zuletzt verdient sie sich ihr Geld bis zur Rente dann aber noch in einem Radio- und Fernsehgeschäft. Sie ist es gewohnt, zu arbeiten, die Stelle dort macht ihr Freude. Handwerklich geschickt ist sie ohnehin, schließlich hat sie sich immer selbst zu helfen gewusst – wissen müssen.

Es ist ein zwiegespaltenes Verhältnis, das Irma Müller zu ihrer Heimat, ihrer Jugend zu haben scheint. Mit Neuberg verbindet sie die schlechten Erinnerungen vom harten Alltag und von der Vertreibung, aber auch die guten Erinnerungen an Verwandte und Freunde. [W]ie ich ein Kind war, habe ich eine schöne Freundin gehabt, der ihre Mutter war auf dem Zedtwitz-Schloß. Und da waren wir als Kinder auf dem Fensterbrett gesessen, auf dem Fenster, und die Mauern waren so stark, dass wir schön sitzen konnten. Mit Neuberg verbindet sie ihre Sozialisation, die sie zu einem demütigen und arbeitsamen Menschen hat werden lassen, aber auch den Verfall, den ihr ihre zahlreichen Reisen in die Heimat aufgezeigt haben. Ich war den Sonntag selten daheim, bin immer mit einem Bus fort. […] Erste Mal wollte ich aufs Zedtwitz-Schloß, war es abgerissen.

Doch sie nimmt das Leben stets, wie es kommt, und für Irma Müller steht eines fest: Ich muss sagen, ich bin bis jetzt gut zurecht gekommen.

Dieses Interview wurde im Rahmen des Projektes „Nicht spurlos aus der Geschichte verschwinden...“ von Rafael Buchta am 27.08.2014 in Hof geführt.

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  • Příbeh pamětníka v rámci projektu Not to disappear from history (Rafael Buchta)