Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.

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Charlotte Geier, geb. Böhm (* 1931)

Manchmal haben wir eine Semmel bekommen

  • Charlotte Geier, geb. Böhm am 23.3.1931, aufgewachsen in Buchelsdorf (Jeseník-Bukovice) Nr. 7

  • Flucht ins Deutsche Reich während der tschechoslowakischen Mobilisierung im September 1938

  • Vater nach dem Krieg interniert, schwer verletzt bei Zwangsarbeit, entlassen 1946

  • Vertreibung der Familie nach Deutschland, schwere Anfänge

  • Ausbildung zur Näherin

  • Anfang 50er Jahre geheiratet

  • bis heute fährt sie nach Freiwaldau (Jeseník) und pflegt Kontakte mit den Einheimischen

Charlotte Geier, geb. Böhm am 23.3.1931, aufgewachsen in Buchelsdorf (Jeseník-Bukovice) Nr. 7. Frau Geier hat 4 Kinder und 4 Enkel.

Familie

Charlottes Vater war Kaufmann in einem Großhandelsgeschäft. Er war wohlhabend, musste nicht zur Armee. Ihre Mutter hatte ein Lebensmittelgeschäft in Buchelsdorf.

Frau Böhm hatte viel zu tun in ihrem Geschäft. Deswegen hatte sie zu Hause ein Dienstmädchen. Sie blieb bei den Böhms von Montag bis Samstag. Am Sonntag durfte sie nach Hause. Frau Böhm hatte noch extra eine Waschfrau (es gab keine Waschmaschinen). Die hat jeden Samstag Wäsche gewaschen und die Böden und Teppiche geputzt. 1938 hat sie das eine Mädchen entlassen, weil sie es erwischte, als sie Geld aus der Geschäftskasse stahl.  

Desertion des Vaters

In der Zwischenkriegszeit erfüllte der Vater, wie alle jungen Männer, seine Wehrpflicht beim tschechischen Militär. Zu der Mobilisierung im Jahre 1938 kam er jedoch nicht. Er hat sich versteckt, wie die meisten deutschen Männer, in den Wäldern oder bei Freunden. Wenn die tschechischen Gendarmen einen Deserteur gefunden haben, haben sie ihn verhaftet.

Flucht nach der Mobilisierung

Wegen der Mobilisierung fürchtete man, dass der Krieg bald ausbricht. Es hat sich herumgesprochen, dass ein letzter Zug aus Freiwaldau ins Deutsche Reich fahren wird. Frauen und Kinder sollten mit ihm abreisen, um vom Krieg verschont zu bleiben. Charlotta und ihre Mutter nutzten diese Möglichkeit aus. Nach diesem Zug wurden die Gleise aufgerissen.

Gleich nach der Grenze, in Ziegenhals (Glucholazy), wollte Charlotte und ihre Mutter aussteigen und zur Tante Emma gehen. Aber sie durften den Bahnhof nicht verlassen. Man hatte sie mit Lkws weiter verfrachtet nach Neisse, dann nach Guben in Brandenburg, dann bis nach Storkow bei Berlin. Charlottes Freundin ist mit ihrer Familie bis nach Friesland gekommen. Man brachte die Frauen und Kinder so weit ins Innere Deutschlands, weil man heftige Kämpfe an der Grenze erwartete. Erst nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Tschechoslowakei durften sie alle zurückkommen.

Verbotene Sender

Während des Kriegs war es verboten, fremde Radiosender zu hören. Doch Herr Böhm hörte nach 22 Uhr den deutschsprachigen englischen Sender. Charlotte musste versprechen, dass sie das niemandem sagt. Man hätte den Vater eingesperrt oder sogar hingerichtet.    

Kriegsende und Plünderung

Das Kriegsende hat man mit großer Angst erwartet. Manche Leute haben den Stress und die Strapazen nicht verkraftet. So zum Beispiel die Mutter von Charlottes Freundin. Sie ist im Mai 1945 vor Stress wahnsinnig geworden und ist gestorben. Der Vater war bereits tot. Familie Böhm hat sich der Freundin angenommen. 

Auf Bauernhöfen arbeiteten im Krieg Fremdarbeiter, oft Polinnen. Nach dem Krieg waren sie frei und sie kamen um zu plündern. Sie haben Charlotte ihr Akkordeon und ihre Puppe genommen, sowie viele Sachen aus dem Geschäft der Mutter.

Internierung des Vaters

Herr Böhm wurde von den tschechoslowakischen Verwaltung interniert und nach Krautenwalde (Travná) geschickt. Er musste Zwangsarbeit ausüben, bei der er sich schwer verletzt hat. Er ist aus großer Höhe in einer Scheune auf die Tenne abgestürzt. Das Resultat war ein Schädelbasisbruch. Er bekam keine medizinische Hilfe, außer der Pflege eines Arztes, der mit ihm interniert war.

Charlotte durfte den Vater im Januar 1946 besuchen. Sie fuhr mit dem Zug nach Jauernig (Javorník). Man erlaubte ihr, den Vater aus 100 Meter Entfernung anzuschauen. Sie durfte nicht einmal winken. Im Mai 1946 wurde er entlassen. Dann ging die Familie in einen Aussiedlungstransport und verließ die Tschechoslowakei.

Vetreibung

Die Böhms wanderten ein halbes Jahr durch verschiedene Vertriebenenlager in Westdeutschland. Letzten Endes wurden sie bei Einheimischen einquartiert. Die meisten konnten nicht verstehen, dass sie vertrieben wurden, sich dachten, sie wären Flüchtlinge. 

Sie bekamen auf Bezugsschein einen kleinen Herd und amerikanische Feldbetten. Sie hatten auch  Obstkisten (als Möbel).

Die Vertriebenen baten Bauern um Obst und Gemüse, manche gaben etwas, manche nicht. Herr Böhm konnte nach dem Krieg keine Stelle als Kaufmann finden. Er übte verschiedene Hilfsarbeiten aus. Durch den Sturz war seine Gesundheit gebrochen.

Lehre

Charlotte hat eine Lehrstelle bei einem Schneider aus Trautenau (Trutnov) bekommen. Sie konnte dann alles für ihre Familie nähen, Kleider, Vorhänge usw. Sie arbeitete bis zum zweiten Kind. Dann wollte es ihr Ehemann nicht mehr. Er war Schweißer bei der Bahn. Er war von Montag bis Freitag weg.

Ernährung nach dem Krieg

Die Familie Böhm besuchte Bekannte und Verwandte, die als Vertriebene bei Bauern wohnten. Sie kamen, um mit der Ernte zu helfen. Sie durften dafür große Rucksäcke mit Obst, Gemüse usw. nach Hause mitnehmen. Zahlen mussten sie nicht.

Es war ein Wunder, wie die Mutter immer etwas auf den Tisch gebracht hat. An einem Tag Kartoffeln und Möhren, am anderen Tag Kartoffeln und Kohlrüben, dann wieder Kartoffeln mit etwas anderem, sehr wenig Milch und Eier. Fleisch gab es nur sonntags. Es gab kein Fett. Sie sammelten Bucheckern und tauschten sie bei Müllern für Bucheckernöl.

Sie haben also sehr bescheiden gegessen, aber sie waren gesund. Es gab keine schlimmen Krankheiten.

Strapazen der Familie Geier

Charlotte Böhm hat anfang der 50er Jahre Herrn Geier geheiratet, der auch aus Freiwaldau kam. 1956/57 hat das junge Ehepaar Geier das erste Haus gebaut. Es lebten 4 Generationen drinn. Sie hatten wenig Platz, also mussten sie bescheiden sein.

Von ihrem Ehemann erfuhr Charlotte über die Strapazen seiner Familie. Der Schwiegervater wurde nach dem Krieg zu 5 Jahren Haft verurteilt, weil er bei der NSDAP war. Er war bei der Partei nicht aus Überzeugung. Er musste in die Partei eintreten, um als Beamter bei der Bahn arbeiten zu dürfen. Wegen seiner Internierung ist die Familie nicht ausgesiedelt und blieb in der Tschechoslowakei.

Der junge Herr Geier, zukünftiger Ehemann von Ch. Böhm, arbeitete inzwischen in Freiwaldau im Hotel Praděd als Laufbursche, dann als Kellner. Der internierte Schwiegervater arbeitete im Wald, dann in der Schwerindustrie in Ostrava. Er wurde erst 1950 entlassen. Erst dann siedelte die Familie nach Deutschland über, aufgrund eines amerikanischen Visums.

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  • Příbeh pamětníka v rámci projektu Vzpomínky pro budoucnost (Radek Motzke)