Gottfried Bach

* 1940

  • "Das Kreuz wollte ich noch erwähnen. In Stallek, links vor der Kirche, stand ein Kreuz. Jetzt steht nur noch der Sockel dort. Au dem Sockel kann man 1823 lesen. Das Kreuz ist irgendwann umgeworfen worden, wahrscheinlich, und es liegen die Trümmer da ein Bisschen sortiert herum, große Stücke. Und niemand hat irgendwie die Idee, dass man es vielleicht reparieren könnte. Und ich habe mir jetzt gesagt, ich mochte das restaurieren. Für nächstes Jahr planen wir das Kreuz wieder zum Kirchtag, 15. August, einweihen zu können. Wir haben dann alles mit ungeraden Zahlen: 2017 Nepomuk, 2019 Glocken und 2021 Kreuz. Wir werden das machen, glaube ich. Der Bürgermeister hat inzwischen auch zugestimmt, er hat zuerst gesagt, das ist Sache der Kirche, aber inzwischen hat er angedeutet, dass er wahrscheinlich eine Förderung organisieren kann, also ich werde nicht das Ganze bezahlen. Das wird ein schönes Projekt und da werden wir… also ich weiss noch nicht, ob es eine gute Idee ist. Franz Ries, mein Freund aus der Kindheit, Pater Sebastian aus Perneck und ich hatten angedacht, dass wir eine Wallfahrt nach Stallek organisieren. Und zwar eine Wallfahrt von Heinrichsreith auf dem Weg, wo wir vertrieben wurden. Aber ich glaube, dass ist eine schlechte Idee, weil das dann eventuell Konfrontation bedeutet. Also, es kann sein. Ideal wäre es. Es ist nicht nur irgendein Weg, sondern es ist schon ein besonderer Weg. Ich habe überhaupt keine Probleme mit Schuldzuweisung. Es war Krieg, es ist alles Mögliche passiert. Was soll das? Die Leute heute sind nicht mehr die gleichen."

  • "Ja, es war ziemlich schwierig. Sie hat zum Beispiel gearbeitet bei Bauern. Einer unserer Nachbarn hatte ein Feld direkt an der Grenze und sie hat dort gearbeitet und hat plötzlich ihre Kühe (Entschuldigung, meine Mutter hat immer geweint dabei) sie hat ihre Kühe auf dem Feld gesehen. Und es war schrecklich. Sie hat es irgendwann aufgearbeitet, aber es war schwierig für sie."

  • "Ja, das war die Vertreibung. Das meiste weiß ich wahrscheinlich aus Erzählungen, aber ich habe schon eigene Erinnerungen. Ich weiß, dass wir da gestanden sind. Mein Bruder war drei Jahre jünger, der war also zwei, und er war im Kinderwagen. Meine Schwester war zwei Jahre älter als ich und wir sind halt mit dem Kinderwagen gefahren. Sonst eigentlich nichts. Im Kinderwagen waren ein Paar Sachen. Meine Mutter hat erzählt, es waren auch Sparbücher drinnen, die hat man uns dann weggenommen noch. Und dann kann ich mich an diese Kolonne erinnern, die ging dann Richtung Heinrichsreith, oder direkt nach Heinrichsreith, da gibt es die bekannte Brücke, die jetzt ein Bisschen verfallen ist und angeblich absichtlich nicht hergerichtet wird. Man will da keinen Autoverkehr, man kann zu Fuß über die Brücke gehen. Und da bewegte sich also dieser Strom von Menschen. Ich habe schon Erinnerungen daran, es hat lange gedauert, es war heiß. Und ein alter Mann, ich bin jetzt nicht sicher, ob ich es aus eigener Erinnerung weiß, mindestens meine Mutter hat es erzählt, der war vielleicht schon achtzig, er hatte „offene Beine“, Hautkrankheit, er saß im Graben und hat geschrien, man soll ihn doch einfach begraben da, er kann nicht mehr gehen.“

  • Celé nahrávky
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    Slavonice, 02.08.2020

    (audio)
    délka: 01:33:00
    nahrávka pořízena v rámci projektu  Stories of the Czech-Austrian Borderland KPF-01-210
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Ich bin zu meinen Wurzeln zurückgekehrt

Gottfried Bach, Slavonice, 2020
Gottfried Bach, Slavonice, 2020
zdroj: Natáčení

Gottfried Bach wurde am 26. Juni 1940 in dem südmährischen Dorf Stallek (Stálky) an der österreichischen Grenze geboren. Seine Eltern waren die deutschen Kleinbauern Matthäus und Anna Bach. Sein Vater musste nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges in die Wehrmacht einsteigen und fiel in Russland im Jahr 1944. In der Gemeinde Stallek lebten bis zum Ende des Krieges überwiegend deutschsprachige Bewohner, die von der Landwirtschaft lebten. Im Juni 1945, genau am Tag des fünften Geburtstags von Gottfried Bach, mussten sich so gut wie alle Dorfbewohner innerhalb einer Stunde versammeln und in einer Fußkolonne, mit dem nötigsten Gepäck, die Tschechoslowakei in Richtung Heinrichsreith in Österreich verlassen. Das war die sogenannte wilde Vertreibung. Die Familie Bach konnte sich nahe der nicht weit entfernten Gemeinde Langau niederlassen und erhielt auch bald die österreichische Staatsbürgerschaft. In den ersten Jahren konnten sie auch über den gerade entstehenden Eisernen Vorhang hinaus, bis nach Stallek hinüberblicken. Gottfried absolvierte einen pädagogischen Abschluss in Wien. Im Jahr 1966 heiratete er eine Österreicherin mit tschechischen Wurzeln. Durch das Studium und seine Arbeit verbrachte er viel Zeit in den USA, den Großteil seines Berufslebens durchlebte er jedoch in Deutschland. Nach der Wende 1989ú90 kaufte er den Hof Krokovice in Piesling (Písečné), nicht weit von seiner Geburtsgemeinde entfernt. Während seines Ruhestands hat er sich dort zusammen mit seiner Frau dauerhaft niedergelassen. In Stallek machte er sich um die Erneuerung mancher Denkmäler der deutschen Bewohner verdient. Im Jahr 2020 plante er, eine tschechisch-österreichische Wanderung entlang der Spuren der Vertreibung zu veranstalten.