Následující text není historickou studií. Jedná se o převyprávění pamětníkových životních osudů na základě jeho vzpomínek zaznamenaných v rozhovoru. Vyprávění zpracovali externí spolupracovníci Paměti národa. V některých případech jsou při zpracování medailonu využity materiály zpřístupněné Archivem bezpečnostních složek (ABS), Státními okresními archivy (SOA), Národním archivem (NA), či jinými institucemi. Užíváme je pouze jako doplněk pamětníkova svědectví. Citované strany svazků jsou uloženy v sekci Dodatečné materiály.

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Ernst Schmidt (* 1929)

Der Drang, endlich frei zu sein war viel, viel stärker als die Heimat zu verlieren. Wenn man älter geworden ist, ist auch das dann anders geworden.

  • 18. 9. 1929 geboren in Hotzenplotz bei Jägerndorf (Krnov)

  • 30. 8. 1945 - 10. 5. 1946 arbeitete zwangsverpflichtet im tschechischen Kohlenwerk (Grube Ida - Jama Ida)

ERNST SCHMIDT - KOMMENTIERTE ERZÄHLUNG 


„Warum sollte man das jetzt hier aufgeben und in eine Gegend zurückkommen, die ein völlig touristisches Niemandsland ist. Wir würden nur wieder aufbauen müssen, was wir Jahrhuderte aufgebaut und dann verloren haben. Auch das, was die Satzung der sudetendeutschen Landsmannschaft diesbezüglich sagt: „Heimat gewinnen...“ usw. - Alles Schall und Rauch! Die allgemeine Bevölkerung denkt nicht so.“


Ernst Schmidt wurde am 18. 9. 1929 in der Stadt Hotzenplotz (tschechisch Osoblaha) geboren, die direkt an der tschechisch-oberschlesischen Grenze lag. Nach 1918 hatten sich in Hotzenplotz an die 40 tschechische Familien niedergelassen, deren Angehörige im öffentlichen Dienst als Beamte oder Gendarmen tätig waren und durch ihre Präsenz die Souverenität des tschechoslowakischen Staates repräsentierten. Im Großen und Ganzen blieb Hotzenplotz allerdings ein rein deutsches Gebiet. Ernst Schmidt kam aus einer Kaufmannsfamilie und hatte  eine um acht Jahre ältere Schwester Ilse. Sein Vater Rudolf besaß einen Kolonialwarenladen mit Eisenwaren und Tabak, der bereits 1808 von Schmidts Vorfahren mütterlicherseits gegründet worden war.

Als Schmidt 8 Jahre alt war, starb seine Mutter Margarethe (geb. Grün) und sein Vater heiratete noch einmal. Als einziger Sohn sollte Schmidt zum Erben des väterlichen Unternehmens werden und die kaufmännische Laufbann seines Vaters antreten. Nach der Volksschule und der Bürgerschule ging er nach Troppau, wo er das erste Jahr der Wirtschaftsoberrealschule absolvierte. Das Bild der Stadt Hotzenplotz ist heute nur noch in den Erinnerungen der Zeitzeugen lebendig, von der Stadt selbst ist außer einigen Photographien nicht viel übrig geblieben. Was taucht also als erstes in Schmidts Erinnerung auf? 

„Es ist schwierig. Da muss man sich an damals erinnern und an das, was es heute nicht mehr gibt, von dem ganzen Ambiente der Stadt. Es ist der Ringplatz - die engere Heimat, wo wir gewohnt haben. Diese Ringplätze, die waren sehr typisch für die Städte in dem Gebiet - in der Mitte stand ein Feuerlöschbrunnen mit einer Bronzefigur oben, die eine Schale hält... Oder die Spiele um den Ringplatz herum, das Versteckspielen... Und vor allem die Natur, der Stadtpark und die Ossa - der kleine Fluss, der uns heute so winzig vorkommt. In der Kindheit waren auch die Entfernungen weit, weit größer. Der Weg zum Stadtbad z. B., das war damals für uns Kinder eine ganze Weltreise, dabei ist es nur einen Kilometer entfernt gewesen...“

Hotzenplotz liegt geradezu an der äußersten Grenze des mährischen Landes, man konnte von dort aus nach Oberschlesien hinüberschauen. „Da sind die Preiss‘n“ pflegten die Leute den Kindern zu sagen, als sie nach Norden schauten. Historisch wie kulturell sah sich die hiesige Bevölkerung zum magnetischen Umfeld Wiens und der böhmischen Länder gehörend. Kulturell und nach heutigen Maßstäben der bürgerlichen Gessellschaft gemessen war Hotzenplotz eine außerordentlich lebendige Stadt: „Es gab sehr, sehr viele Vereine. Von der Turnerschaft angefangen über die Theatergruppe, drei Gesangsvereine - es war eine kleine Stadt, 2200 Leute! Das Vereinsleben war sehr aktiv. Es ist natürlich alles kaputt! Es gab (der Zahl bin mir nicht ganz sicher) über 16 Gasthäuser - und damals sind die Leute in die Gastwirtschaften gegangen, die haben nicht ihr Bier zu Hause getrunken. Also das gesellschaftliche Leben war schon beachtlich. Noch fällt mir die freiwillige Feuerwehr ein... jeder war da irgendwo drin.“


Schmidts Vater Rudolf wurde bereits im 1. Weltkrieg als Aufklärungsflieger in Italien eingesetzt, im Dienst des K. u. K.-Militärs. Zu Beginn des 2. Weltkriegs wurde er als Hauptmann erneut zur Luftwaffe einberufen, als Leiter des militärischen Kraftfahrzeugparkes in Königgrätz.  Ernst Schmidt war in seiner Jugend, zu der Zeit des sogenannten Großdeutschen Reiches schon, Mitglied der Organisation Jungvolk (Das Jungvolk gehörte als untere Stufe zur Hitlerjugend und war für Knaben von 10 bis 14 Jahren bestimmt). „Wir haben das nie national empfunden. Das war eine Beschäftigungstherapie. Ich erinnere mich an diese Zeiten gern - wir haben Geländespiele gemacht, geturnt an Geräten. Wie man heute sagen würde - wir waren weg von der Straße. Es hat natürlich auch dazu gehört, das wir systematisch davon abgehalten wurden, in die Kirche zu gehen. Da wurde also ein gewisser Zwang ausgeübt, dass wir sonntags z. B., wenn die Heilige Messe gewesen wäre, demonstrativ und mit deutschen Liedern auf den Lippen an der Kirche vorbeigeführt worden sind.“

Im Jahre 1944 versuchte auch die nationalsozialistische Eliteneinheit der Waffen-SS Schmidt anzuwerben: „Als Hitlerjunge war ich mit 15 in einem Wehrertüchtigungslager - so nannte man das - heute weiß ich, dass es eine Vorstufe gewesen ist zur Wehrmacht. Wir waren da in Rosswald und wurden an der Waffe ausgebildet. Als wir dann wieder nach Hotzenplotz zurück entlassen werden sollten, mussten wir antreten und sollten uns freiwillig zur Waffen-SS melden. Und das haben die meisten auch gemacht und unterschrieben. Ich weiß nicht mehr die Anzahl, aber jedenfalls waren wir etwa 8 oder 10 Leute, die sich geweigert haben. Darunter war auch ich. Zufälligerweise war mein Vater auf Heimaturlaub - er war Offizier der Luftwaffe. Ich habe also einen Kollegen, der unterschrieben hatte, gebeten, er möge meinen Vater anrufen und Bescheid sagen. Da hat sich mein Vater eingeschaltet und konnte erreichen - natürlich auch aufgrund seiner Position - dass wir ohne Unterschrift entlassen wurden... Wir mussten jedoch nochmal antreten und wurden vor der ganzen Mannschaft zur Schnecke gemacht, wurden beschimpft und es wurde gesagt, wir würden zu feige sein, für die Zukunft Großdeutschlands zu kämpfen und wir würden mit Lichtbild im Parteikasten ausgehängt werden. Als ich dann nach Hause kam, ist mein Vater mit mir zum Herrn Keilich gegangen  - der war Ortsgruppenleiter von den Nazis (wobei, was heisst Nazi? Es gibt gute und schlechte Menschen und er war ein guter) - der hat gesagt: ´Das kommt überhaupt nicht in Frage, das tun wir nicht´ und hat es so abgeschmettert. Mich hat es aber so geärgert und an meiner Ehre gepackt, dass ich mich freiwillig zur Luftwaffe gemeldet habe... Das war im Herbst 1944.“

Mitte März 1945 rückten die Rote Armee und das 1. tschechoslowakische Armeekorps bis  an die ehemalige Grenze der Tschechoslowakei heran und damit begann auch die Hochphase  der Ostrau-Operation. Die deutsche Bevölkerung machte sich auf die Flucht und zurück blieben nur diejenigen, die sich um ihre Bauernhöfe kümmern mussten. „Wir mussten vor der russischen Armee flüchten ins Hinterland. Die Front kam damals etwa 20 Kilometer von Hotzenplotz entfernt zum Stehen und hielt sich bis zum Ende des Krieges. Ich flüchtete weiter nach Königgrätz, Hradec Králové, wo mein Vater war...   

An diesem Ort hielten sich Vater und Sohn nur kurz auf und brachen dann mit anderen Wehrmachtsangehörigen in Richtung Westen auf. Ihr Ziel war natürlich die amerikanische Gefangenschaft und damit auch eine Aussicht auf anständige Behandlung. Ehe die zersplitterten Wehrmachtseinheiten und Zivilistengruppen unterwegs auf die Russen trafen, wurden sie abermals von Partisanengruppen und der Miliz angegriffen. „Der Krieg war bekanntermaßen im Mai zu Ende. Aber wir haben noch gekämpft... Ich nicht natürlich - ich war ja Zivilperson. Aber es gab beispielsweise in Kutna Hora Partisanenüberfälle. Sie müssen sich vorstellen - die schmale Strasse, die Wehrmachtsautos und die Flüchtlingstrucks mit Betten usw... In dieser Stadt hat man da in die Leute reingeschossen. Die Trucks mit den Betten sind dann in Flammen aufgegangen und da hat mein Vater natürlich auch geschossen in die Fenster rein wo sich irgendwie was bewegt hat. Ich wäre da fast von meinem eigenen Vater erschossen worden. Er hat ein Dienstwagen gehabt, einen Mercedes mit Fahrer... Von der linken Seite wurde geschossen. Der Fahrer und mein Vater sind ausgestiegen in Straßengraben - ich saß da hinten, das Gepäck neben mir... Nachdem es hinter mir geklirrt hat  -ein Glas mit Kirschen in das ein Schuss reinkam- bin ich natürlich genau auf der linken Seite rausgesprungen und vorn beim Kühler rübergelaufen, wo mein Vater mit seinem Gewehr lag... Und da wäre es fast passiert...“

Auf dem Weg in den Westen stieß die ganze Flüchtlingsschar von Soldaten und Zivilisten auf die Russen und wurde komplett gefangengenommen. Am Weg in das Gefangenenlager geriet die ganze Gruppe mehrmals ins Visier der tschechischen Bevölkerung, die die Situation für ihre persönliche Rache und Wut ausnutzte. „Es war ein sehr, sehr heißer Monat. Und wir hatten nichts zu trinken. Da sind Tschechen über uns hergefallen, Zivilisten, haben uns das Wasser im Eimer gereicht und als wir trinken wollten, den Eimer weggestoßen. Meinem Vater wurden die Achselklappen abgerissen und mit der Peitsche hat er dann Hieb über die Stirn bekommen. Da hat sich die tschechische Bevölkerung sehr unangenehm bemerkbar gemacht. Das waren die einzigen Übergriffe, später, als ich von meinem Vater schon getrennt war, mussten wir noch Munition auf einem Feld eingraben... „

Erst nachdem er in das Gefangenenlager gekommen war, wurde Ernst Schmidt von den Russen freigelassen. Sein Vater musste bleiben und kehrte aus der russischen Gefangenschaft erst im Jahr 1949 zurück. Diese vier Jahre verbrachte er auf der Halbinsel Krim als Zwangsarbeiter.


Über Brünn und Olmütz konnte Schmidt zu den Bekannten nach Prerau vordringen. Seine ältere Schwester Ilse war inzwischen unterwegs nach Karlsbad. In der Nähe der Stadt stieß sie ebenfalls auf die Russen und kehrte nach Osten zurück, wo sie sich dann mit ihrem Bruder bei ihrer Freundin in Lipein bei Sternberg zusammengefunden hat. Gemeinsam kehrten sie dann über das Altvatersgebirge in das inzwischen fast völlig zerstörte Hotzenplotz zurück.  


ZWANGSARBEIT FÜR ALLE STAATENLOSEN


In Hotzenplotz lebten Ernst und Ilse einige Monate von der Hand in den Mund, bis Ernst am 30. August 1945 zur Zwangsarbeit ausgehoben wurde. „Wir wurden mit zwei Leiterwagen abgeholt in die Kreisstadt Jägerndorf , Krnov. In Jägerndorf kamen wir am späten Nachmittag an, es war schon dunkel. Der erste Eindruck... Ein 3 Meter hoher Stacheldrahtzaun, Scheinwerfer usw.. Da wurde man unwillkürlich erinnert an die Nazipropaganda der Burenkriege. Wie die Engländer in Südafrika die Buren gefangengesetzt hatten. Dieses Bild war plötzlich da. Während des Einfahrens haben wir die Baracken gesehen. Da standen unter anderem einige Frauen mit kahlgeschorenen Köpfen an der Wand und durften sich nicht anlehnen. Am nächsten Tag haben wir dann erfahren, dass sie die ganze Nacht stehen mussten. Weshalb? Warum? Keine Ahnung. Wir mussten antreten in Dreierreihen. Jede Reihe ungefähr zwei Meter Abstand. Und dann ist die Wachmannschaft durchgegangen und hat willkürlich hineingeprügelt. Einfach so. Ich habe während dieser Prozedur ein silbernes Amulett mit der Heiligen Maria in der Hand an einer Sicherheitsnadel innen festgehalten. Und mir ist nichts geschehen - das hat was mit Glauben und Hoffnung zu tun. Aber es sind einige zusammengeschlagen worden. Weil sie kein tschechisch verstanden haben und keine Befehle verstanden haben. Und da wurde einfach hineingeprügelt.“

In dem Lager, in das Ernst eingeliefert wurde, verweilten die Zwangsverpflichteten erst vier Tage unter strenger Bewachung und hinter Stacheldraht. „Dann wurden wir nach Mährisch Ostrau, Hrušov, gebracht. Und da kamen wir sofort ins Lager, hinter Stacheldraht und in Baracken. Am 7. 9. 1945 war die erste Schachteinfahrt untertage... Wir hatten nichts sonst zum Anziehen, zum Wechseln, keine Arbeitskleidung, nichts. Nur das, was wir am Leib hatten. Damit mussten wir in die Grube einfahren. Ohne Übertreibung - wir Jungen, der Jüngste war 14 Jahre alt, hatten furchtbare Angst, unter diesen Bedingungen untertage arbeiten zu müssen. Wir kannten das ja nicht. Ich arbeitete zunächst am Stollenbau. Kurz darauf kamen wir in den Kohleabbau...“ Es handelte sich um das Kohlenwerk „Jáma Ida“ (Grube Ida). 

Gemäß dem Präsidentendekret vom 19. 9. 1945 unterlagen der Arbeitspflicht alle Deutschen und Ungarn, denen gemäß einem anderen Dekret vom 2. 8. 1945 die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Bis die planmäßige Ausweisung stattfinden konnte,  mussten alle Männer von 14 bis 60 Jahren und Frauen von 15 bis 50 Jahren der Arbeitspflicht nachkommen. Welcher Arbeit man zugeteilt wurde, war Glückssache. Materielle Verpflegung und das Verhalten der Aufseher in Arbeitsmassenlagern unterschieden sich in Schmidts Fall von jenen der kommunistischen Zeit nicht allzusehr. „Zunächst hatten wir überhaupt keine Verbindung zur Heimat. Es kam keine Post. Erst später kam mein erstes Päckchen und damit auch die Verbindung zu den Angehörigen. Die Verpflegung war anfangs sehr schlecht. Wir bekamen früh zur Morgenschicht einen schwarzen Kaffee und ein Stück Brot. Das war alles.“

Obwohl die allgemeine Arbeitspflicht alle Einwohner und Staatsbürger der Tschechoslowakei betraf, war die Situation der Deutschen deshalb noch prekärer, weil ihnen die Staatsbürgerschaft und damit auch ihre wichtigsten Rechte entzogen wurden. Für sie bedeutete die Zwangsarbeit zunächst den Verlust der Freiheit. „Die Beziehungen untereinander waren eigentlich nur... - es ging meistens ums Essen. Ob jemand ein Stückchen Brot übrig hat oder so. Da waren die Verhältnisse am Anfang wirklich schlimm. Die Leute haben aus Abfallkübeln, die im Speisesaal standen, Kartoffelabfälle geholt und sie am Ofen gebraten. Wir hatten Läuse, wir hatten Wanzen...“ Jüngere Leute konnten darüberhinaus überhaupt nicht begreifen, wofür sie bestraft wurden. „Diese Überlegungen, die jetzt immer wieder kolportiert worden sind, dass wir den Krieg angefangen haben - also ist man mit uns so umgegangen -  das haben wir jetzt erst in den letzten Jahrzehnten hier mitgekriegt. Damals wussten wir das nicht. Wir haben keine Ahnung gehabt, warum wir das machen müssen.“  

Wann und ob er überhaupt aus der Kohlengrube in Mähr. Ostrau komme, wusste Schmidt zunächst gar nicht. Die Häftlinge bekamen keine Auskunft darüber, wann die Zwangsarbeit zu Ende gehen werde und was danach mit ihnen passieren solle. Mit der Zeit verbreiteten sich Gerüchte über die Vertreibung nach Deutschland, die allerdings nur die Angst steigerten, dass niemand seine Angehörigen jemals wiedersehen würde. Erst später drangen zu den Häftlingen die Nachrichten durch, dass die Amerikaner die Trennung der Familien nicht zulassen würden. Ernst Schmidt erfuhr über seine Ausweisung und damit auch über das Ende seines Sklaventums erst 14 Tage vor seiner Entlassung aus dem Lager. 


Die Freiheit erlangte er am 10. Mai 1946 und kehrte zunächst in seine Heimat nach Hotzenplotz zurück. Die Vertreibung selbst erfolgte einige Tage später und wurde im Ausweisungslager in Jägerndorf, Krnov, vollzogen, von wo aus dann die offenen Viehwagons mit den Ausgewiesenen losgefahren sind. Die Auszuweisenden wurden noch auf mögliche Wertgegenstände - deren gab es nicht viele, denn Hotzenplotz war fast vollständig niedergebrannt worden - durchfilzt und erst dann losgeschickt. An die Heimat zu denken, danach war Schmidt in diesem Moment nicht wirklich zumute. „Der Drang, endlich frei zu sein war viel, viel stärker als die Heimat zu verlieren. Wenn man älter geworden ist, ist auch das dann anders geworden. Da hat man sich dann eher an die Heimat, Kindheit und Jugend erinnert. Die Freiheit hatte man ja, die war im Moment dann weniger wichtig...“

Die Anfänge in Bayern waren allerdings keineswegs einfach. Das durch den Kreig erschöpfte Land nahm die etwa drei Millionen Flüchtlinge nur ungern auf. Ernst Schmidt und seine Schwester Ilse sind anfangs sogar durch die Dörfer zu den Bauern gegangen und haben Lieder gesungen, wofür sie manchmal etwas zum Essen bekommen konnten. „Das war in Niederbayern. Auf dem Weg zu einem Bauern habe ich auf der Wiese ein Ei gefunden. Ein Ei, das frisch gelegt wurde und das die Henne verloren hat. Ich bin in das Haus rein, hab das Ei dem Bauern gegeben und er hat es genommen. Er hat es uns nicht gegeben. Die Verhältnisse waren sehr verschieden...“

Ernst Schmidt verfolgte nach seiner Ankunft in Bayern nur ein einziges Ziel - sich in der neuen Lage Orientierung zu verschaffen und die Schule zu Ende zu machen. Dies gelang ihm in München, wo er im Jahre 1949 das Abitur ablegte. An der Universität in München studierte er dann Betriebswirtschaft und arbeitete nebenher als Werkstudent bei einer Energiegesellschaft. In der gleichen Firma blieb er nach seinem Hochschulabschluss noch weitere 13 Jahre. Später war er in der Bausparkasse in Ludwigsburg angestellt, wo er sich der Datenbankverarbeitung von Informationen widmete. 

Seine Frau Ingeborg, die ebenfalls aus Hotzenplotz stammt, lernte Schmidt auf einem der Treffen der ehemaligen Landsleute  kennen. Sie haben im Jahre 1956 geheiratet und haben drei Kinder. 

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  • Příbeh pamětníka v rámci projektu 1945 - konec války. Návraty domů, odchody z domova. (Ondřej Bratinka)