Peter Klepsch

* 1928

  • "Die Frauen und Kinder mussten alle in die Kaserne marschieren und durften nichts mitnehmen. Das war ein Zug, der hat fast kein Ende genommen. An allen Straßen und Gassen kamen die Frauen mit ihren Kindern in die Kaserne. Wir haben nichts zum Essen bekommen, ich bin dann nicht mehr gewachsen, es war ganz, ganz schlimm und traurig. Weil die Säuglinge sind alle gestorben, sie haben nichts zum Essen bekommen, da waren dann die Kinderwägen gestanden mit den toten Säuglingen. Es war schlimm. Und wir sind dann auch nicht nach Hause gekommen, wir sind dann auf die Dorfer verteilt worden."

  • "Wir sind irgendwie stoisch geworden. Also ich war es jedenfalls. Ich war völlig kalt. Ich habe keine Angst dann mehr gehabt und nichts mehr. Der Jaro hat mir erzählt, ich habe immer nach Verwandten gefragt, und hat er immer nur gesagt: ‘Ist schon tot.‘“

  • "Das war der Hauptmann Langer. Der Hauptmann Langer war Spenglermeister in Saatz und war auch in Postleberg und hat sich bei Marek gemeldet und hat gesagt er mochte sterben, er ist Offizier und er halt das nicht aus und er bittet um einen Gnadenschuss. Und dann sagte der Marek, das höre ich noch: ‘Was, du willst einen Gnadenschuss? Den kannst du haben.‘ Dann hat er die Pistole genommen und ihm ins Genick geschossen. Das habe ich gesehen."

  • "Am 3. Juni morgen kam meine Schwester ans Bett und sagte: ‘Du musst sofort an Ringplatz raus, sonst wirst du erschossen!‘ Es kamen dann berittene tschechische Soldaten mit Peitschen und haben uns an den Saatzer Ringplatz, also Marktplatz, getrieben. Dort wurden alle Saatzer Deutschen versammelt und mussten im Laufe des Tages kolonenweise nach Postelberg gehen. Und ich war auch innerhalb einer dieser Kolonen drinnen. In Postelberg selbst kamen die ersten Schüsse von dem tschechischen Militär. Und am dritten Tag mussten wir alle antreten und sagen was wir für politische Richtungen hatten, ob man beim Militär, oder bei der HJ oder SA oder SS oder sonst war. Und ich habe mich gemeldet und habe gesagt, ich war politisch verfolgt. Und da kam der Herr Marek auf mich und hat mich interviewt und ich habe gesagt: ‘Was soll diese Behandlung, ich war ja ein Opfer der Nazis.‘ Worauf der Herr Marek mit dem Stock, es war ein Bamboostock, nach mir schlug. Ich wurde aber dann trotzdem, mit ungefähr zwölf anderen, herausgenommen und haben bis zu Wochenende eine separate Rolle gespielt."

  • "Zunächst gar nichts. Am Mittwoch haben fünfzehn Leute ein Stuck Brot bekommen. (Und zum Trinken?) Zum Trinken weiß ich noch, dass ich noch einen Tag vorher, oder zwei, für den Hauptmann Schön, das war mein erster Batterieführer bei der Flack, den kannte ich. Und er schickte mich zum Graben mit seinem Hut, ihm Wasser zu holen. Und da habe ich ihm einen Hut voll Wasser gebracht. Daran kann ich mich genau erinnern. Ich selber habe nichts getrunken, denn in dem Wassergraben schwammen Leichenteile."

  • "Ich kannte keinen, außer vom Sehen. Ich wusste nur, dass zwei angeblich Brüder waren und dass die alle noch sehr jung waren, sie waren vielleicht die jüngsten, die mitmarschierten. Und sie sind vermutlich geflohen aus Hunger und dabei erwischt worden. Und dann kam… ich höre noch den Marek, wie er sagte: ‘Wer flieht, wird erschossen, ebenso wie diese fünf Knaben jetzt erschossen werden.‘ Das habe ich noch erlebt. Marek. Und zwar nachdem er vorher mit einem tschechischen Militär gesprochen hat. Wahrscheinlich hat er von dem Militär den Befehl bekommen, das jetzt uns zu sagen. Die Buben wurden an die südliche, nein, die nördliche Mauer der Kaserne gestellt und es wurde an jeden Buben ein Schütze gestellt. Und ich weiß nur, einer hat den Schuss in den Hals gekriegt, da kam eine Blutsträhne raus, ein, zwei Meter lang. Und einer schrie nach seiner Mutter, das habe ich auch gesehen."

  • "Einige habe ich gesehen und ich habe auch einige begraben. Also die Leute, die am Kasernenhof erschossen wurden, die habe ich zum Teil begraben. Da war der – wer war da dabei? Der Hauptmann Langer war dabei und dann war auch dabei ein Juwelier. Ich kannte ihn, aber ich habe den Namen im Moment vergessen. Am Hof wären es vielleicht zwölf oder fünfzehn Leute gewesen sein, die ich gesehen habe, die dort begraben wurden. Da war ich bei zwei oder drei als Totengräber mit beteiligt."

  • "Ich habe gesehen, wie der Postassistent Heinz (oder ich weiß nicht wie er hieß) ermordet wurde. Das habe ich gesehen. Er kam später und irgendwie hat man ihn am Platz erschossen. Und zwar lag er dann dort und verblutete. Das habe ich gesehen. Ganzel hieß der Postassistent, jetzt weiß ich es wieder. (Frage: Der Marsch nach Postelberg, wie lange hat es gedauert?) Da war eine Pause dazwischen. Wir haben eine Pause gemacht am Bahnhof unten oder in der Nähe des Bahnhofs und da hat man uns die Uhren weggenommen und was wir noch an Wertgegenstanden hatten. Und man hat gesagt, wir werden nie mehr eine brauchen. Das weiß ich noch heute. Und ein Nachbar, das war ein Juwelier in Saatz, der hat einen Beutel mit Diamanten in der Tasche gehabt, den hat er dann in ein Hamsterloch gesteckt. Das habe ich gesehen. Und der Mann hat überlebt und mein Sohn hat ihn nach dem Krieg in Forchheim wiedergetroffen."

  • "Das weiß ich noch, das war ein Kriminalassistent Dr. Hassberger, ich habe mir den Namen gemerkt. Das Verhör war eigentlich relativ milde. Ich habe einmal eine Ohrfeige bekommen, als man mich fragte, welcher Partei ich vor 1933 angehörte. Ich habe gesagt: ‘Dem Kindergarten!‘, was ja auch stimmte, ne? Und da habe ich eine Ohrfeige gekriegt. Aber größere Misshandlungen habe ich von der Gestapo nicht erfahren."

  • Celé nahrávky
  • 1

    Spalt, Německo, 15.07.2020

    (audio)
    délka: 05:41
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  • 2

    Spalt, SRN, 16.07.2020

    (audio)
    délka: 01:15:23
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Ich habe für Opfer des Massakers in Postelberg Gräber geschaufelt

Peter Klepsch, Spalt, 2020
Peter Klepsch, Spalt, 2020
zdroj: Natáčení

Peter Klepsch kam am 10. Juli 1928 in Saaz (Žatec) in der deutschen Familie des erfolgreichen Hopfenhändlers Alfred Klepsch auf die Welt. Als Fünfzehnjähriger wurde er im Januar 1944 zum Dienst an der Flugabwehrkanone (FlaK) bei Brüx (Most) einberufen. Im Januar des folgenden Jahres wurde er verhaftet, von der Gestapo verhört und wegen angeblicher Beteiligung am Desertionsversuch von drei Kameraden inhaftiert. Am letzten Tag des Krieges floh er während des Gefangenentransports heim. Am 3. Juni 1945 wurden alle Saazer Männer unter Aufsicht von Soldaten der Tschechoslowakischen Armee auf dem Platz versammelt und per Fußmarsch nach Postelberg (Postoloprty) gebracht. Dort wurde Peter als ehemaliger politischer Gefangener ins Totengräberkommando eingeteilt und entging deshalb im Unterschied zu Hunderten seiner Nachbarn der Hinrichtung. Nachts hörte er regelmäßige Salven, die die Massenerschießungen waren, wie er später herausfand. In Saaz und Postelberg sowie auf dem Marsch zurück wurde er Zeuge einer Reihe von Gewalttaten und Ermordungen. Einige der Opfer beerdigte er selbst auf dem Hof der Postelberger Kaserne. Am 7. Juni 1945 durfte er nach Saaz zurückkehren und wurde im März 1946 nach Monate langer Zwangsarbeit auf dem Feld über Eger (Cheb) nach Bayern per Zug abgeschoben. In Deutschland beendete er die Schule, ließ sich in einem bekannten Hopfenanbaugebiet nieder und handelte wie sein Vater bis zur Rente mit Hopfen. Außerdem ist er Autor populärwissenschaftlicher Bücher.